(Basis)Bildung und Empowerment für politische Partizipation

20.10.2023, Text: Susanne Klingseis, lernraum.wien, Redaktion: Angelika Hrubesch, VHS / lernraum.wien
Das Projekt B.E.E.P. (Basic Education and Empowerment for Political Participation) hat die Förderung der (politischen) Teilhabe aller an der Gesellschaft zum Ziel.
Partizipative Prozesse erzeugen Spannungen und Konflikte, die die Menschen dazu anregen können, sich für Veränderungen einzusetzen.
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Das Projekt B.E.E.P. (Basic Education and Empowerment for Political Participation) will die aktive (politische) Teilhabe von Menschen an der Gesellschaft fördern, die aus unterschiedlichen Gründen ausgeschlossen sind oder sich ausgeschlossen fühlen. Die Gründe für den Ausschluss können vielfältig sein: Sei es aufgrund des rechtlichen Status – beispielsweise fehlende Staatsbürgerschaft und daher kein Wahlrecht – fehlenden Wissens um Beteiligungsmöglichkeiten oder mangelnder Zuversicht, überhaupt etwas bewirken zu können. 


Am Ende des Projektes wird ein Handbuch mit praxisbezogenen Anleitungen und Aktivitäten für Unterrichtende in der Basisbildung, aber auch andere pädagogische Bezüge zur Verfügung stehen, sowie Empfehlungen für (bildungs)politische Entscheidungsträger*innen. Zudem werden anhand von Beispielen Wege aufgezeigt, welche Möglichkeiten und Formen der Beteiligung es bereits gibt und wie diese ausgebaut werden können. Ein vorbereitender Bericht zum Thema, der Einblick in die Perspektiven von Lernenden und Lehrenden, aber auch Interessensvertreter*innen gibt, ist in sechs Sprachen (Deutsch, Englisch, Griechisch, Italienisch, Portugiesisch, Türkisch) bereits online verfügbar.

Demokratie ohne Partizipation ist gefährlich (B.E.E.P). Aber "Partizipation" ohne Demokratie ist eine Scheinlösung

Um zu verstehen, wer ausgeschlossen ist und wer sich selbst als ausgeschlossen betrachtet, konzentriert sich der Bericht zunächst auf die Definition der Begriffe "Politik" und "Partizipation", gefolgt von Diskussionen mit Lernenden, Lehrenden und Interessensvertreter*innen. Im letzten Abschnitt befasst sich der Bericht mit bereits bestehenden partizipativen Prozessen in den Partnerländern sowie in anderen Ländern der Europäischen Union.


Politik lässt sich nach Ansicht des Konsortiums nicht auf die Mechanismen der repräsentativen Demokratie oder Parteipolitik reduzieren. Wir können das Politische auch im Privatleben, in der Bildung und in allen Bereichen des Lebens beobachten, die mit Gesellschaft zu tun haben.


Um Partizipation zu definieren orientieren wir uns zunächst an einer Definition von Jan Blommaert (2017), der Integration folgendermaßen beschreibt: "To formulate this as a theoretical proposition: people are integrated in a wide variety of communities, both 'thick' and 'light' ones, and to differing degrees. A 'completely integrated' individual is an individual who has achieved such diverse forms of integration and is able to move from one community to another one while shifting between the modes of integration expected in each of them." (Blommaert, Brandehof et al. 2017)
"Sich von einer Gemeinschaft in eine andere zu begeben" bedeutet in unserem Verständnis auch, sich an Dingen zu beteiligen, die über die Gemeinschaft, der man angehört, hinausgehen. Demnach ist Partizipation ein wichtiges Mittel der Integration.


Um einen Einblick in das Verständnis von Partizipation auf individueller, institutioneller sowie auf der Ebene der Lehrenden zu erhalten, wurden Fokusgruppen-Interviews und Einzelinterviews mit Lernenden und Lehrenden der Basisbildung, sowie ein Fokusgruppengespräch mit Interessensvertreter*innen durchgeführt. 

Stimmen von Lerner*innen und Entscheidungsträger*innen

Im Zuge der Recherchephase im Projekt wurden Interviews und Gruppengespräche mit Lerner*innen, Erwachsenenbildner*innen und politischen Entscheidungsträger*innen geführt. Von den Lernenden wurden in Bezug auf ihre Partizipationsmöglichkeiten und -motivation Aspekte wie Zugehörigkeit und Gruppengefühl besonders hervorgehoben, aber auch die Verantwortung, die mit Beteiligung verbunden wird: "Nur wenn ich hier in dieser Gruppe bin, in der ich mich wohlfühle, nehme ich teil." Es wurden auch Befürchtungen ausgesprochen, man könnte etwas falsch machen, wenn man sich beteiligt: "...etwas Schlimmes könnte passieren, wenn ich die falsche Entscheidung treffe." Persönliche Eigenschaften wie Schüchternheit können beim Formulieren konkreter Ideen zur Verbesserung der Nachbarschaft oder der Teilnahme an Schulversammlungen aus Sicht einer Lernenden aus Italien ebenfalls im Wege stehen.

 

Aus Perspektive einer Unterrichtenden aus Portugal muss Beteiligung zu echten Ergebnisse führen: "Wenn die Beteiligung an Bedingungen geknüpft ist, ist sie keine echte Beteiligung."
Beteiligung setzt "freie Meinungsäußerung und Verantwortung" voraus. Partizipation kann auf verschiedenen Ebenen ausgeübt werden, von der Mikro- bis zur Makroebene. Die Beteiligung an demokratischen Prozessen wird oft auf die Idee reduziert, "das Wahlrecht auszuüben". Das ist eine verkürzte Sichtweise.

 

Auf Ebene der Interessensvertreter*innen wurde das Thema ebenfalls kontrovers diskutiert. Es werden beispielsweise mehr finanzielle Mittel und mehrsprachige Informationen gefordert. Auch der Aspekt der Verbundenheit wurde angesprochen: "Es geht darum, die Bürger*innen zu politisieren und das Gefühl zu geben, mitverantwortlich zu sein. Beispiel Vandalismus: Wenn die Menschen ein Mitspracherecht haben, was wo passiert, sind die Dinge dort besser geschützt."

Partizipation als Bildungsauftrag

Zusammenfassend kann festgehalten werden: Partizipative Prozesse erzeugen Spannungen und Konflikte, die die Menschen bestenfalls dazu anregen, sich für Veränderungen einzusetzen. Das lokale Umfeld (Familie, Nachbarschaft und Region) scheint für die Teilnahme an partizipativen Prozessen leichter zugänglich zu sein, und muss daher besonders gefördert werden.

(Politische) Partizipation benötigt auch Förderung und Vermittlung in Form von formellen sowie informellen Bildungsangeboten (Unterricht, Freizeitangebote, etc.) und, last but not least, politische Teilhabe kann nur durch das systematische Einbeziehen aller Bewohner*innen gelingen und durch das Recht, an größeren demokratischen Prozessen teilzunehmen.

 

Die Projektlaufzeit ist von April 2022 bis Februar 2024. Das Projekt wird vom lernraum.wien (Wiener Volkshochschulen) koordiniert. Das Konsortium setzt sich zusammen aus: lernraum.wien (Österreich), Dafni Kek (Griechenland), Aontas (Irland), Amar Terra Verde LDA (Portugal) und Arcipelago (Italien).

 

Die bisherigen Projektergebnisse werden bei einem Multiplier Event am 29. November von 12.00 bis 15.00 Uhr in der VHS präsentiert und diskutiert. Im Zuge des Events werden gemeinsam Ideen gesammelt und Grundlagen für die im Projekt folgenden Empfehlungen für Entscheidungsträger*innen im Bereich der Partizipation/Demokratie erarbeitet werden. Vertreter*innen von Initiativen und Organisationen, die sich mit Partizipation und Bildung auseinander setzen, sind zur aktiven Teilnahme eingeladen. Anmeldungen sind bis 23. November per Mail an lernraum.wien möglich.

Weitere Informationen:
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